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BSG schränkt Handlungsmöglichkeiten für MVZs und Vertragsärzte drastisch ein

Im Juli 2015 hatten wir über das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) vom 14. Januar 2015 – L 12 KA 31/14 berichtet.

Sachverhalt

Ein HNO-Arzt hatte auf seine Vollzulassung in einem gesperrten Planungsbereich verzichtet, um sich beim klagenden MVZ mit einem Tätigkeitsumfang von 23,5 Wochenstunden anstellen zu lassen. Nachdem der Arzt seine Tätigkeit im MVZ beendet hatte, beantragte dieses Anstellungsgenehmigungen für zwei Ärzte (10 Wochenstunden und 30 Wochenstunden).

Der Zulassungsausschuss genehmigte die Anstellung des zweiten Arztes jedoch nur in einem Umfang von 20 Stunden und lehnte den Antrag im Übrigen ab. Verzichte ein Arzt auf seine Zulassung, um als angestellter Arzt in einem MVZ tätig zu werden, müsse er mindestens ein Quartal wenigstens 31 Wochenstunden angestellt sein, um den Bedarfsanrechnungsfaktor von 1,0 aufrecht zu erhalten. Vorliegend sei der Arzt jedoch nur mit 23,5 Stunden angestellt worden, was lediglich einem Bedarfsplanungsanrechnungsfaktor von 0,75 entspreche. Demzufolge sei die Nachbesetzung auch nur in diesem Umfang, d.h. bis maximal 30 Wochenstunden möglich. Der Berufungsausschuss hat den Widerspruch des MVZ zurückgewiesen.

Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts

Das LSG hatte die Entscheidung des Berufungsausschusses bestätigt: Der Verzicht auf eine volle Zulassung zugunsten einer Anstellung in einem MVZ mit 23,5 Wochenstunden (Faktor 0,75) führe dazu, dass die Arztstelle nur in diesem Umfang fortbesteht und somit eine ¼-Arztstelle „eingezogen" wird.

Urteil des BSG

Das Bundessozialgericht (BSG) hat am 4. Mai 2016 die Revision der Klägerin zurückgewiesen und mit seinem Urteil die für MVZs und Ärzte negative Entscheidung des LSG sogar noch getoppt. Es entschied, dass der tatsächliche Tätigkeitsumfang bei der „Nachbesetzung" eines angestellten Arztes maßgeblich ist (Az. B 6 KA 21/15 R).

Die Nachbesetzung einer Stelle im MVZ kann nach Ansicht des BSG nur dann und nur insoweit erfolgen, wie der Vertragsarzt tatsächlich als angestellter Arzt im MVZ tätig geworden ist.
Hierdurch soll verhindert werden, dass die Entscheidungen, die die Zulassungsgremien bei der Nachbesetzung im Falle der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit zu treffen haben, umgangen werden. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Arzt zunächst erkläre, auf seine Zulassung zu verzichten, "um in einem MVZ tätig zu werden". Dann aber die Tätigkeit dort tatsächlich nicht antrete, um dem MVZ sogleich die "Nachbesetzung" durch einen selbst gewählten Angestellten zu ermöglichen.

Verheerende Klarstellungen des BSG

Für die Zukunft stellt das BSG klar:

1) Die zu fordernde Absicht des Vertragsarztes, im MVZ tätig zu werden, wird sich
     grundsätzlich auf eine Tätigkeitsdauer im MVZ von drei Jahren beziehen müssen.

    Hierfür findet sich im Gesetz keine rechtliche Grundlage.

2) Die schrittweise Reduzierung des Tätigkeitsumfangs um ¼ Stelle in Abständen von
     einem Jahr ist unschädlich.

3) Bereits bestandskräftig erteilte Anstellungsgenehmigungen sollen unberührt bleiben und
     können auch Grundlage einer späteren Stellennachbesetzung werden.

4) Wenn ein Vertragsarzt, der auf eine volle Zulassung verzichtet, um in einem MVZ tätig zu
     werden, seine Tätigkeit im MVZ von Anfang an nur im Umfang einer ¾ Stelle antritt,
     dann kann auch nur diese ¾ Stelle nachbesetzt werden.

Fazit

Mit dieser Entscheidung schränkt das BSG die Handlungsmöglichkeiten von MVZs und Vertragsärzten drastisch ein – nicht nur im Bereich der Nachbesetzung von angestellten Ärzten, sondern auch im Bereich der Rückumwandlung von Anstellungen in Vertragsarztsitze.

Für Ärzte und MVZs bedeutet die Entscheidung nicht nur, dass der Tätigkeitsumfang unmittelbar nach der Umwandlung der Zulassung dem bisherigen Versorgungsauftrag entsprechen muss. Sie hat auch zur Folge, dass die Reduzierung des Tätigkeitsumfangs im Rahmen der Anstellung und damit die (teilweise) Nachbesetzung innerhalb der ersten drei Jahre nicht mehr beliebig möglich ist. Gleiches gilt auch für Anstellungen bei Vertragsärzten.

Sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt, werden wir wieder berichten.