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LAG Nürnberg stärkt Krankenhausträger bei Anordnung von Rufbereitschaft

Mit Urteil vom 4. Dezember 2013 (Az.: 4 Sa 201/12) entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg eine bislang noch nicht geklärte Rechtsfrage und stärkt die Anordnungsbefugnis der Krankenhausträger zur Ableistung von Rufbereitschaft im ärztlichen Dienst.

Sachverhalt

Der Rechtsstreit drehte sich um die Auslegung folgender Regelung im Haustarifvertrag mit dem gleichen Inhalt wie § 7 Abs. 3 und Abs. 4, § 7.1 Abs. 1 Satz 2 und § 7.1 Abs. 8 Satz 1 Tarifvertag des öffentlichen Dienstes im Dienstleistungsbereiche Krankenhäuser (TVÖD-K): „Ärzte sind verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber bestimmten Stelle aufzuhalten, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen (Bereitschaftsdienst). Der Arbeitgeber darf Bereitschaftsdienst nur anordnen, wenn zu erwarten ist, dass zwar Arbeit anfällt, erfahrungsgemäß aber die Zeit ohne Arbeitsleistung überwiegt. Ärzte sind verpflichtet, sich auf Anordnung des Arbeitgebers außerhalb der regelmäßigen Arbeitszeit an einer vom Arbeitgeber anzuzeigenden Stelle aufzuhalten, um auf Abruf die Arbeit aufzunehmen (Rufbereitschaft). Der Arbeitgeber darf Rufbereitschaft nur anordnen, wenn erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen Arbeit anfällt. Rufbereitschaft wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass Ärzte mit einem Mobiltelefon oder einem vergleichbaren technischen Hilfsmittel erreichbar sind."

Der klagende Arzt sollte wie seine Kollegen Rufbereitschaft leisten. Der Arzt hatte in seinen Rufbereitschaftsdiensten regelmäßig Arbeitseinsätze im Krankenhaus, manchmal aber auch bloße Telefonate von zu Hause aus. Seine Kollegen dagegen hatten deutlich weniger Arbeitseinsätze, meistens konnte die Anfrage telefonisch geklärt werden. Der klagende Arzt war der Ansicht, dass Arbeit in der Rufbereitschaft nicht mehr einen Ausnahmefall darstelle und insofern eine Anordnung ihm gegenüber, Rufbereitschaft zu leisten, tarifvertragswidrig und damit rechtswidrig sei.

Die Arbeitgeberin dagegen argumentierte, dass für die Frage, ob Arbeit nur im Ausnahmefall anfällt, die Rufbereitschaftsdienste aller Ärzte zu prüfen sei. Statistische Ausreißer einzelner Ärzte bleiben außer Betracht. Der betreffende Arzt weise mit Abstand die häufigsten Einsätze innerhalb des Rufbereitschaftsdienstes auf. Bei der Prüfung, ob Arbeit nur im Ausnahmefall anfällt, bleiben Telefonate außer Betracht. Telefonate seien zwar vergütungspflichtige Arbeitszeiten im Sinne des Arbeitszeitgesetzes, aber für die Anordnungsbefugnis zur Rufbereitschaft irrelevant.

Entscheidung

Die Entscheidungsgründe liegen nun endlich vor. Das LAG Nürnberg folgt der Argumentation der Arbeitgeberin. Der Begriff „Arbeit im Ausnahmefall" bedarf der Auslegung. Aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang werde deutlich, dass der Begriff „Arbeit" im Zusammenhang mit der Anordnungsbefugnis zur Rufbereitschaft von der „Arbeit" im vergütungsrechtlichen Sinne und der „Arbeit" im Sinne des Arbeitszeitgesetzes zu trennen sei. Bei der Beurteilung, welche der beiden Sonderformen der Arbeit (Bereitschaftsdienst oder Rufbereitschaft) vom Arbeitgeber angeordnet werden darf, sei auch zu berücksichtigen, dass der Bereitschaftsdienst für den betroffenen Arbeitnehmer eine größere Belastung darstelle, da damit eine Aufenthaltsbeschränkung verbunden ist. Auch sei Bereitschaftsdienst für den Arbeitgeber teurer als Rufbereitschaft. Die beschränkten personellen und wirtschaftlichen Ressourcen sind bei der Auslegung der tarifvertraglichen Regelung ebenfalls zu berücksichtigen. Es bedarf einer praktikablen Lösung.

Der Zulässigkeit der Anordnung von Rufbereitschaft könne nicht entgegen gehalten werden, dass während der Rufbereitschaft der Arzt im Rahmen einer telefonischen Konsultation in Anspruch genommen wird. Eine solche telefonische Konsultation könne nämlich ortsunabhängig erfolgen und erfordert keine Präsenz des Arztes in der Klinik. Hierdurch werde der Arzt in seinem Aufenthaltsort nicht eingeschränkt und zeitlich geringer in Anspruch genommen. Eine telefonische Konsultation führe nicht zu einer nennenswerten arbeitstechnischen Belastung des Arztes. Selbst wenn regelmäßig eine telefonische Konsultation während eines Rufbereitschaftsdienstes anfällt, sei dies mit dem Charakter dieser Sonderform der Arbeit noch vereinbar. Dies entspräche dem tariflichen Gesamtzusammenhang und einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung hinsichtlich der Zulässigkeit der beiden Sonderformen der Arbeit.

Arbeit im Sinne der Rufbereitschaft seien damit keine Telefonate, sondern nur ein „echter" Arbeitseinsatz in der Klinik. Nur soweit ein solcher regelmäßig und nicht nur in Ausnahmefällen anfällt, könne dies nach dem Willen der Tarifvertragspartner Anlass dafür sein, von der Anordnung von Rufbereitschaft abzusehen und stattdessen einen Bereitschaftsdienst in der Klinik anzuordnen.

Bei der Frage, wann „erfahrungsgemäß lediglich in Ausnahmefällen" ein Einsatz in der Klinik (Arbeit) anfällt, sei auf einen längeren repräsentativen Zeitraum abzustellen, um kurzzeitige Schwankungen auszuschließen. Ferner seien die Arbeitszeitaufzeichnungen aller Ärzte entscheidend, da nur sie einen gesicherten Erfahrungswert ergeben. Hierdurch werden zufällige Abweichungen vermieden. Die Anordnung von Rufbereitschaft sei zulässig, wenn ein Arbeitsanfall zwar gelegentlich eintritt, die Zeiten ohne Arbeitsanfall aber die Regel sind. Da hier  während der Rufbereitschaftsdienste bei den Ärzten (mit Ausnahme beim klagenden Arzt) meistens nur Telefonate und nur selten Arbeitseinsätze in der Klinik anfielen, fiel Arbeit nur im Ausnahmefall an und die Anordnung zur Rufbereitschaft ist zulässig, auch gegenüber dem klagenden Arzt.

Fazit

Eine gleiche Regelung wie die streitgegenständliche findet sich in § 7 Abs. 3 und Abs. 4, § 7.1 Abs. 1 Satz 2 und § 7.1 Abs. 8 Satz 1 TVÖD-K. Das Urteil des LAG Nürnberg ist damit für eine Vielzahl von Krankenhäusern von Bedeutung, da viele Häuser den TVÖD direkt anwenden oder sich in ihren Haustarifverträgen an den TVÖD anlehnen.

Häufig werden Ärzte in der Rufbereitschaft nur telefonisch konsultiert; dies ist nach dem LAG Nürnberg gerade Sinn und Zweck der Rufbereitschaft. Das LAG Nürnberg stärkt mit seiner Entscheidung die Krankenhausträger, in dem für die Anordnungsbefugnis von Rufbereitschaft die rein telefonischen Einsätze vollständig außer Betracht bleiben. Einzig echte Arbeitseinsätze in der Klinik sind für die Frage relevant, ob Arbeit nur im Ausnahmefall anfällt. Hierbei kommt es nicht auf die etwaige Einsatzhäufigkeit eines einzelnen Arztes, sondern auf die globale Betrachtung aller in der Rufbereitschaft eingesetzten Ärzte an. Bleiben hier Arbeitseinsätze im Krankenhaus die Ausnahme, darf Rufbereitschaft angeordnet werden, auch wenn ein einzelner Arzt deutlich höhere Arbeitseinsätze vorzuweisen hat.

Das LAG Nürnberg hat aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Rechtsstreits (zu der hier entschiedenen Frage gibt es weder Literatur noch Rechtsprechung) die Revision zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob der Arzt gegen diese Entscheidung Revision einlegen wird. Ein Arbeitsrechtsteam der Kanzlei Seufert konnte jedenfalls ein erfreuliches Urteil für das Krankenhaus erstreiten.