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Bundesverwaltungsgericht: Ergebnisse von Strukturprüfungen sind im Rahmen einer Schiedsstellenfestsetzung nur bei evidenten Abrechnungsfehlern zu berücksichtigen. Eine rückwirkende Korrektur findet nicht statt (Urteil vom 4. Mai 2017, Az.: 3 C 17.15)

Die Bedeutung sogenannter Strukturprüfungen ist vielfach umstritten. Eine explizite Rechtsgrundlage gibt es nicht. Ihre Behandlung durch die Schiedsstelle wurde jetzt einer teilweisen Klärung zugeführt.

Vorangegangenes Verfahren

Die Vertragsparteien hatten in den Entgeltverhandlungen für das Jahr 2007 keine Einigung über die Frage erzielt, ob im Erlösbudget der Klinik intensivmedizinische Komplexbehandlungen zu berücksichtigen waren. Strittig waren sowohl der Versorgungsauftrag als auch die Abrechnungsvoraussetzungen (ständige ärztliche Besetzung der Intensivstation). Die Schiedsstelle hatte sinngemäß festgestellt, dass mangels eines evidenten Abrechnungsmangels die Frage zugunsten der Klinik zu entscheiden sei und im Übrigen die Frage durch die Sozialgerichte zu klären sei. Im Genehmigungsverfahren wurde ein SG-Urteil vorgelegt, das die Abrechnungsfähigkeit verneinte. Die Genehmigung wurde gleichwohl erteilt. Das Oberverwaltungsgericht (Berufungsgericht) bestätigte den genehmigten Schiedsspruch. Bei einem Streit um Abrechnungsvoraussetzungen könne die Budgetfestsetzung grundsätzlich auf den Versorgungsauftrag abstellen. Während des verwaltungsgerichtlichen Klageverfahrens erging ein Urteil des Bundessozialgerichts, dass die Abrechnungsfähigkeit des OPS-Codes 8-980 für die strittigen Fälle des Hauses verneinte. Die Kassen brachten vor, die Verwaltungsgerichte hätten das BSG-Urteil berücksichtigen müssen.

Das Bundesministerium für Gesundheit trat mit dem Vertreter des Bundesinteresses der Auffassung der Kassen bei. Dem ist das Bundesverwaltungsgericht nicht gefolgt.

Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revisionen der Kassen zurückgewiesen und damit den Schiedsspruch letztlich bestätigt.

1. Versorgungsauftrag

Die DRG A09E und A13E (2007) seien nach den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts in Rheinland-Pfalz vom Versorgungsauftrag Innere Medizin umfasst. An diese Feststellung sei das Revisionsgericht gebunden (Rn. 15).

2. Prospektivität

Das Bundesverwaltungsgericht betont die Prospektivität der Verhandlungen (Rn. 18 ff.). Das Schiedsstellenverfahren sei zügig durchzuführen (Rn. 29). Weiter betont es, dass nach den gesetzlichen Regelungen klar zwischen Budget- und Abrechnungsebene zu trennen sei (Rn. 29).

Dies gelte auch, wenn im Einzelfall das Budget „retrospektiv" (d.h., nach Ablauf des Entgeltzeitraums) ermittelt worden sei (Rn. 32 ff.). Von dieser Möglichkeit gehe der Gesetzgeber aus. Dem entspreche es, im Fall von retrospektiv geführten Entgeltverhandlungen auf die Ist-Leistungen abzustellen.

Bedeutung sozialgerichtlicher Urteile: Für die Rechtmäßigkeit des Schiedsspruchs ist es ohne Bedeutung, dass der Abrechnungsstreit (nach Ergehen des Schiedsspruchs und der angefochtenen Genehmigung) durch das Bundessozialgericht im Sinne der Kassen geklärt worden ist (Rn. 35).

Fazit

Das Urteil relativiert die Bedeutung von Strukturprüfungen für die Entgeltverhandlungen und Schiedsstellenverfahren deutlich. Nur bei evidenten Abrechnungsmängeln sind Abzüge von den vorauskalkulierten bzw. vorliegenden Ist-Leistungen notwendig.

Die Trennung zwischen Budget- und Abrechnungsebene wird bestätigt, ebenso die Trennung zwischen verwaltungsgerichtlicher (Budget) und sozialgerichtlicher (Abrechnungsebene) Zuständigkeit.

Die Prospektivität wird weiter gestärkt. Ein Schiedsspruch und Genehmigungsbescheid wird nicht rückwirkend rechtswidrig, weil Sozialgerichte die Abrechnungsfähigkeit im Nachhinein abweichend beurteilen.