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Bundesverwaltungsgericht: Befreiung vom Mehrleistungsabschlag (MLA) bei „zusätzlichen Kapazitäten“ aufgrund der Krankenhausplanung auch durch „sonstige Erklärung“ der Planungsbehörde möglich (Urt. v. 16. September 2015, 3 C 9.14)

1. Problemstellung und bisheriges Verfahren

Die Schiedsstelle Bayern hatte mehrfach die Auffassung vertreten, Mehrleistungen seien (schon) dann abschlagsbefreit, wenn sie auf Kapazitätserweiterungen beruhen, die mit dem Krankenhausplan (lediglich) übereinstimmen (ohne Mitwirkung der Planungsbehörde).

Es handelte sich vorliegend um ein Verfahren zum Vereinbarungszeitraum 2011.

2. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts

Der Leitsatz lautet:
„Die Ausnahme vom Mehrleistungsabschlag nach § 4 Abs. 2a Satz 3 KHEntgG setzt voraus, dass die Krankenhausplanungsbehörde die Erweiterung der Kapazitäten gebilligt hat. Dazu bedarf es entweder einer Ausweisung der zusätzlichen Kapazitäten im Landeskrankenhausplan oder einer sonstigen Erklärung der Krankenhausplanungsbehörde, aus der sich die Zustimmung zur Erweiterung der Kapazitäten ergibt." (Hervorhebung von uns).

Damit trägt das Gericht dem Umstand Rechnung, dass die Krankenhauspläne der Länder unterschiedlich detailliert ausgestaltet sein können. Es sei nicht einsichtig, weshalb die Befreiung vom MLA davon abhängig sein solle, ob der Krankenhausplan des Landes detaillierte Festlegungen zu den Kapazitäten von Krankenhäusern trifft oder sich auf eine Rahmenplanung beschränkt (Rn. 40).

Das Gericht hält im Übrigen die Regelung des § 4 Abs. 2a KHEntgG unter dem Gesichtspunkt der „doppelten Degression" (Landesebene/Ortsebene) nicht für verfassungswidrig.

3. Bewertung

Der sehr weitgehenden Befreiung durch die SST Bayern wird nicht gefolgt. Gleichzeitig wird aber die Befreiung gegenüber der strikt auf Feststellungsbescheide begrenzten Kassenauffassung deutlich erweitert. Es genügt die formlos mögliche Billigung, die sozusagen durch einfachen Brief oder E-Mail erfolgen kann.

Es kommt nicht darauf an, ob die zusätzlichen Kapazitäten durch die Krankenhausplanung „verursacht" sind (Rn. 28; a.A. aber bisher die Kassen und das VG München). Die Befreiung ist auch nicht nur auf Kapazitäten beschränkt, die im Krankenhausplan ausgewiesen sind. Erfasst und befreiungstauglich sind außer der Aufstockung der Bettenzahl die Ansiedlung einer neuen Fachabteilung sowie die Einrichtung neuer OP-Säle (Rn. 30).

Das Gericht lässt offen, ob die intensivere Nutzung vorhandener OP-Räume oder die Bereitstellung zulässigen Personals zur Befreiung führen kann (Rn. 30).

4. Empfehlung

Es ist anzuraten, insbesondere für den Entgeltzeitraum 2016 zu prüfen, ob Mehrleistungen auf Kapazitätserweiterungen im oben beschriebenen Sinne beruhen (können) und ggf. eine – ohne förmliches Planungsverfahren mögliche – „sonstige Erklärung" der Planungsbehörde einzuholen. Das BVerwG hebt hervor, dass „diesem Verfahren" (der sonstigen Erklärung) "weder rechtliche Hindernisse entgegenstehen noch es für den Krankenhausträger oder die Behörde einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand mit sich bringt." (Rn. 40).

5. Ausblick

Das KHSG ersetzt den bisherigen MLA durch einen Fixkostendegressionsabschlag (§ 4 Abs. 2b – neu – KHEntgG). Der Tatbestand der zusätzlichen Kapazitäten ist in dieser Form nicht mehr enthalten. Ob und inwieweit die Erwägungen des Gerichts auf den neuen Befreiungstatbestand der „zusätzlich bewilligten Versorgungsaufträge, für die bislang keine Abrechnungsmöglichkeit bestand", zu übertragen sein werden, bleibt zu diskutieren.