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März 2018 Mandanteninformation als PDF downloaden

BSG zu Beatmungszeiten – Einmal tief Luftholen!

Mit seinem Urteil vom 19. Dezember 2017, Az. B 1 KR 18/17 R, hat das BSG über die Berechnung von Beatmungsstunden bei Entwöhnung/intermittierenden Phasen der Beatmung entschieden. Als erstes Fazit lässt sich sagen, dass die Entscheidung zwar negativer als erhofft ausgefallen ist, jedoch noch „Luft" für positive Argumentationen lässt.

1.
Die aus unserer Sicht wesentlichen Passagen des Urteils lauten:

„Nach Wortlaut und Regelungssystem der DKR 1001h sind Spontanatmungsstunden nur dann als Beatmungsstunden mitzuzählen, wenn der Wechsel von Beatmung und Spontanatmung in einer Phase der Entwöhnung erfolgt. Diese Phase ist durch das Ziel geprägt, den Patienten vom Beatmungsgerät zu entwöhnen. Schon begrifflich setzt eine Entwöhnung eine zuvor erfolgte Gewöhnung an die maschinelle Beatmung voraus.

(...) Gewöhnung an die maschinelle Beatmung, also die erhebliche Einschränkung oder den Verlust der Fähigkeit, über einen längeren Zeitraum vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können. (...) Nur dann, wenn sich der Patient an die maschinelle Beatmung gewöhnt hat und dadurch seine Fähigkeit eingeschränkt ist, vollständig und ohne maschinelle Unterstützung spontan atmen zu können, setzt das Krankenhaus eine Methode der Entwöhnung ein und wird der Patient im Sinne der DKR 1001h entwöhnt.

Es richtet sich nach den medizinischen Umständen des Einzelfalls, dass eine Gewöhnung durch Maskenbeatmung, orientiert am Leitbild der Folgen einer maschinellen Beatmung mittels Intubation oder Tracheotomie bereits mit solchen Einschränkungen eingetreten ist, dass sie eine Entwöhnung von maschineller Beatmung pulmologisch erforderlich macht."

Das BSG verknüpft damit den Begriff einer „Entwöhnung" mit einer – durch das BSG – fingierten „Gewöhnung". Ob dies medizinisch überhaupt gerechtfertigt werden kann und sinnvoll ist, lassen wir an dieser Stelle offen, steht jedoch in Frage.
Das BSG hat zumindest keine medizinische Definition der „Gewöhnung" festgelegt. Es überlässt es – auf Basis seiner gefundenen „Definition" – der medizinischen Beurteilung im Einzelfall, ob eine durch die Beatmung entstandene Beeinträchtigung der „Eigenatmungsfähigkeit" der Patienten eingetreten ist, welche eine bewusste und ärztlich/pflegerisch etc. überwachte Heranführung der Patientin an eine dauerhafte Spontanatmung erforderlich macht.

Nach unserem Kenntnisstand existiert für intubierte und tracheotomierte Patienten eine Leitlinie (S3 Leitlinie „Invasive Beatmung und Einsatz extrakorporaler Verfahren bei akuter respiratorischer Insuffizienz"), welche die Notwendigkeit einer Entwöhnung bereits von der ersten Beatmungsphase an für medizinisch erforderlich erklärt. Wir gehen daher davon aus, dass sich in diesen Fällen die Voraussetzungen des BSG verhältnismäßig leicht erfüllen lassen.

Für den Bereich der NIV-beatmeten Patienten existiert eine entsprechende Leitlinie u. E. noch nicht. Unabhängig davon dürften sich die Aussagen der oben angesprochene Leitlinie zur Entwöhnung auch auf diese Patientengruppe übertragen, da das BSG explizit darauf hinweist, dass die „Gewöhnung" bei diesen Patienten „orientiert am Leitbild der Folgen einer maschinellen Beatmung mittels Intubation oder Tracheotomie" eintreten müsse. Einer medizinischen Bewertung kann diese Mandanteninformation jedoch nicht vorgreifen. Jedenfalls ist auf eine klarstellende Aussage oder Leitlinie der ärztlichen Fachgesellschaften zu hoffen.

I. E. muss – wie auch sonst – jeder Fall einzeln betrachtet werden, sodass vorschnelle Reaktionen vermieden sowie pauschale Lösungen wohl überdacht sein sollten.

2.
Weitere Erkenntnisse aus den Urteilsgründen:

Das BSG stellt klar, dass die Beschränkung der Berechnung von Beatmungszeiten in der „Phase der Entwöhnung" auf Tage mit mindestens sechs Stunden Beatmungszeit ausschließlich bei Masken-CPAP als „Entwöhnungsmethode" gilt. Dies entspricht den Vorgaben der DKR 1001, wird von Krankenkassen fälschlich jedoch z. T. auch auf andere Methoden angewandt.
Gleichzeitig weist das BSG darauf hin, dass "Sauerstoffinsufflation bzw. -inhalation über Maskensysteme oder O2-Sonden" – wiederum entsprechend der DKR 1001 – nicht als Beatmungsmethoden in der „Phase einer Entwöhnung" in Betracht kommen.

3.
Nach erster Durchsicht der Entscheidungsgründe sollten Krankenhäuser gerade bezüglich der Dokumentation von Beatmungsfällen die sich aus der Rechtsprechung des BSG ergebenden Konsequenzen beachten. Für Hinweise hierzu und den generellen Umgang mit diesem Urteil des BSG können Sie sich gern an uns wenden.